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// ACHTUNG. VORSICHT – DIE HELIKOPTER KOMMEN

Neulich auf einer Hochzeitsfeier. Ich will mir ja nicht vorwerfen ich würde nur oberflächliche Beiträge verfassen ohne sie selbst erlebt zu haben. Also neulich auf einer Hochzeitsfeier. Hach ich erinnere mich nur zu gerne an meine Kindheit, wenn ich mit meinen Eltern auf irgendwelche Feiern war und ich mit den anderen Kindern irgendwo auf dem Veranstaltungsgelände stundenlang gespielt habe, ohne dass unsere Eltern wie eine Schmeißfliege an uns klebten. Und? Hat es uns geschadet? Wir leben alle noch und aus uns sind ehrenvolle Bürger der Gesellschaft geworden die ein recht solides Sozialnetzwerk aufgebaut haben. Jedenfalls neulich auf einer Hochzeitsfeier eines Freundes wurde ich Zeuge dieser neuen Art von Eltern, die sich Propellers auf den Schädel geschraubt haben und ihre Kinder keine Sekunde, wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen. Wir anderen Erwachsenen stoßen mit einem Sekt auf das Brautpaar an und stehen in Grüppchen an mehrere Stehtische und genießen die buntgemischte Hochzeitsgesellschaft. Zumindest alle außer Zweien. Im ersten Moment freue ich mich, dass noch mehrere Pärchen mit Kindern anwesend sind, damit auch die Kinder unter sich sein können und Spaß haben ohne sich zu langweilen, weil nur Erwachsene anwesend sind. Ich bin kurz neidisch, weil ich die Leichtigkeit vermisse einfach rumzutollen und zu spielen ohne anstrengende Smalltalks unter Erwachsenen führen zu müssen. Der Neid verfliegt doch recht schnell, da mir einfällt, dass ich dafür jetzt Alkohol trinken darf und so lange aufbleiben kann wie ich will. Die beiden Propellers können es nicht. Die Mutter liegt die ganze Zeit auf der Lauer und hat ihr kleines Mädchen ständig im Blick. Angangs ist es ja noch ganz unterhaltsam, doch wenn sie jede Unterhaltung auf ihr Kind lenkt, wird es allmählich anstrengend. Da halfen auch unsere Versuche nichts, sie zu beruhigen und sie auf andere Dinge zu lenken, nämlich einfach mal zu genießen für einen Moment kinderlos zu sein und es zu genießen, unter erwachsenen zu sein. Ich bin heil froh, dass ihre Kleine endlich eine Freundin unter den anderen Kindern findet und anfängt herumzurennen und Spaß zu haben. Die Freude hält nicht lange an. Denn dann kommt ein Satz, der mich zum Schaudern bringt:

»Seht ihr, wie sie mich ignoriert?«

Jesus, was ist nur mit der los? Und ehe einer etwas von uns dazu sagen kann, ist sie schon verschwunden und rennt ihrer Tochter hinterher, nur damit die neue Freundin nicht nur annähernd für einen Moment wichtiger wird als ihre eigene Mutter. Sehr unheimlich. Langsam kommt das Abendprogramm in Fahrt. Ein DJ legt fetzige Tanzmusik auf und wir fangen an zu tanzen. Mutterpropeller stößt mit finsterer Miene wieder zu uns.

»Meine Tochter hat überhaupt keine Augen mehr für mich. Sie ignoriert mich.« Herzensgut wie ich bin gehe ich auf ihre Neurose ein. Die anderen ließen sie mittlerweile links liegen und tranken eifrig weiter Rosé Prosecco.

»Freu Dich doch, dass sie jemanden zum spielen gefunden hat und genieß doch einfach die Party.«

Trotzig wie ein kleines Kind drückt sie ein Lächeln raus und fängt langsam an sich nach der Musik zu bewegen. Ihr Coyote Blick, der seine Beute ausspäht bleibt. Gruselig. Einfach gruselig. Nicht dass sie ihr Kind unter Druck setzt, nein sie zieht mich ungewollt in ihr Abhängigkeitsspiel mit rein. Ich muss mich stärker betäuben. Härterer Alkohol muss her. Aber wenn man glaubt eine Nervensäge wäre genug, kommt der zweite Propeller angeflogen.

»Siehst du das, Schatz, unsere Tochter ignoriert uns.«

Und das Schlimme? Es ist kein Sketch. Es ist traurige Realität. Meine stärkere Dosis in Form eines Wodka Lemon ist schnell ausgetrunken. Ich musste mich doch tatsächlich betäuben, um diese Menschen ertragen zu können. Anstatt dass sie ihre kinderfreie Pärchen Zeit gemeinsam genossen und mal wieder das taten, was sie zuvor ohne Kind als Pärchen auf solchen Partys taten, wandelten sie apathisch durch die Menge und suchten potenzielle Opfer, denen sie mit ihrer krankhaften Affenliebe zu ihrer Tochter auf den Sack oder Eierstock gehen konnten. Anfangs fanden sie vielleicht noch Zuhörer doch mittlerweile hatten fast alle so viel intus und im ausgiebigen Tanzmodus, dass alle Versuche in der Luft zerplatzen. Was glauben sie wie oft ich sie an diesem Abend gerne in den Hotelpool gestoßen hätte, um sie abzukühlen. Die Kleine war erst 7 Jahre alt. Wenn sie in die Pubertät kommt versucht dann die Mutter krampfhaft die beste Freundin zu werden und die Gilmore Girls bleibt nicht nur eine Fernsehserie sondern wird zu einem Generationskult, worüber wohl die alle Töchter von Helikoptermüttern glücklich sein werden. Die Mutter zwängt sich dann in hautenge Leggins und trägt viel zu enge Tops und hopst dann in der Jugenddisko auf der Tanzfläche mit herum und versucht ihre potenziellen Gegnerinnen, die zwanzig Jahre jünger sind auszustechen.

»Mama, geh doch bitte auf eine Ü30 Party.«

»Aber warum denn Schatz, da darfst du doch mit deinen 16 Jahren noch gar nicht hin.«

Der herumwirbelnde Propeller vertreibt dann auch zugleich die ersten Flirtkandidaten ihrer Tochter, die am Rand der Tanzfläche stehen und Ausschau nach ihrer attraktiven Tochter halten.

Wenn es dann einer schafft, gegen den Helikoptersog durchzudringen, drückt sich die Mambo tanzende Leggins mit ihren dicken Möpsen dazwischen und fordert ihre Tochter zum Tanzen auf. Um das in Zukunft zu verhindern, verheimlicht ihre Tochter ihr, dass sie in die Disco feiern geht doch die Mutter hat natürlich längst eine App auf ihrem Smartphone installiert, die ihr immer anzeigt, wo sich ihre Tochter befindet und so wird ihre Tochter allmählich zum sozialen Mof und hockt nur noch alleine in ihrem Zimmer, weil keiner mehr mit ihr befreundet sein will mit der Mutter im Schlepptau.

»Aber, Schatz, mach dir nichts daraus, du hast doch mich.« Gruselig und unnatürlich. Mit 17 Jahren trägt ihre Tochter nur noch schwarze Klamotten und hört düstere Musik. Mit 25 Jahren wohnt sie immer noch zuhause und verliert sich im Darknet in diversen Foren und Chatrooms für Selbstmörder und nabelt sich immer mehr von der Welt ab. Mutti bemerkt nicht die Not ihrer Tochter, Hauptsache sie ist bei ihr zu Hause in ihrer Nähe und sie hat sie unter Kontrolle.

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